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Stell dir vor es ist Frieden und einer macht nicht mit!


Unter dem Titel „Zeitenwende – Putins Krieg und die Folgen“ hielt Freiherr Rüdiger von Fritsch am Mittwoch, den 11. Januar 2023 um 19 Uhr einen Vortrag mit anschließender Diskussionsrunde in der mit etwa 280 Gästen sehr gut gefüllten Stadthalle Heubach. 


Von Johanna Mäule und Jule Probst (J2)


Er war unter anderem fünf Jahre als deutscher Botschafter in Moskau und bekam dort tiefe Einblicke in den Machtapparat des Kremls. Seinen gesamten Vortrag hielt er frei, in eindringlicher, zielgerichteter und diplomatischer Sprache, gegliedert in drei große Fragen: „Wie sind wir da hineingeraten?“, „Wo stehen wir jetzt in dieser Auseinandersetzung?“ und „Was werden mögliche Folgen dieser Zeitenwende sein?“.

Die vom Schulverein SaRose des Rosenstein-Gymnasiums Heubach organisierte Veranstaltung war mit rund 250 politisch interessierten Zuschauern noch besser besucht als erwartet und der Referent war begeistert vom „überwältigenden Interesse“. Die Organisatoren dabei waren der Schulsozialarbeiter Andreas Dionnyssiotis, der Schulleiter des Rosenstein-Gymnasiums Christoph Huber und die Vorsitzende des Schulvereins SaRose Christina Gößele. Auch der Heubacher Bürgermeister Dr. Joy Alemazung war anwesend, dankte für die hervorragende Organisation und lobte vor allem die Schülerschaft für ihr Interesse. 

Zu Beginn formulierte Schulleiter Christoph Huber das Ziel der Bildungsveranstaltung, nämlich eine fundierte Haltung gegenüber den neuen Realitäten und Wahrheiten, die durch den Angriffskrieg Putins auf die Ukraine geschaffen wurden, zu entwickeln. Damit begann auch Rüdiger von Fritsch seinen Vortrag, indem er deutlich aufzeigte, dass „wir im Westen“ und die Menschen in Russland die letzten 30 Jahre gänzlich unterschiedlich wahrgenommen haben. Während unsere Gesellschaft den Weg in eine „freie und demokratische politische Ordnung“ geprägt von Selbstbestimmung gefunden hat, erlebte die russische Bevölkerung den Zerfall der Sowjetunion. Damit verloren sie nicht nur wichtige Satellitenstaaten wie Belarus und die Ukraine, sondern auch den Einfluss des alten russischen Reiches als letztes großes Kolonialreich. 

Heute ist Russland ein Nationalstaat, regiert von einem Autokraten, der seine Macht durch „Propaganda, Repression und Bestechung“ sichert. Putin ist seit über 20 Jahren in seinem Amt, davor war er Oberoffizier beim russischen Geheimdienst KGB. Rüdiger von Fritsch beschreibt Putin deshalb als einen Protagonisten, der eine „Welt voller Verschwörungen gegen Russland“ sehe, der bis heute unter dem Zerfall der Sowjetunion leide und der sich bis heute der historisch korrekten Aufarbeitung der russischen Geschichte verweigere, insbesondere der Regierungszeit Stalins, und der sein Land vor allem als Opfer der historischen Entwicklungen sehe. Deshalb spricht der ehemalige deutsche Botschafter in Bezug auf Putins Verhaltensweisen im Angriffskrieg gegen die Ukraine von einer „verfehlten Wahrnehmung der Wirklichkeit“ und einem „imperialistischen Reflex“.

Auf Grund von Putins beinahe absoluter Macht in der russischen Regierung sieht Rüdiger von Fritsch ein großes Problem darin, dass Putin kaum noch realitätsnahe und umfassend beraten wird. Besonders in Bezug auf den Krieg in der Ukraine spricht er von einer „grandiosen Täuschung Putins“ im Hinblick auf die Schlagkraft der eigenen Armee, der Widerstandsfähigkeit der ukrainischen Armee und Bevölkerung und den Reaktionen der internationalen Staatengemeinschaft. Putin sei nicht verrückt oder irrational, aber er habe eine andere Logik und Weltsicht. Doch selbst aus Putins Perspektive seien seine drei Kriegsziele des territorialen Gewinnes, der Unterjochung der Ukraine und der Ausweitung seines Einflussbereiches derzeit nicht erreicht. 

Als potentielles Kriegsende sieht Herr von Fritsch zur Zeit nur die „Kriegsmüdigkeit auf beiden Seiten“ als realistisch an, wodurch es dann zu neutralen Gesprächen und einem Waffenstillstand kommen könnte. Aktuell nimmt die ukrainische Regierung die Verhandlungsangebote Putins deshalb nicht wahr, weil dessen Bedingung territoriale Zugeständnisse der bereits eroberten Gebiete wären. Auf lange Sicht sei keine wesentliche Änderung der internationalen Ordnung wahrscheinlich, jedoch eine politische und wirtschaftliche Isolation Russlands.

Durch den Angriffskrieg wurde überraschenderweise der Zusammenhalt der westlichen Staaten sogar gestärkt und nach der Corona-Pandemie war dies der zweite Weckruf, insbesondere für die EU, sich in Zukunft ihren Abhängigkeiten bewusst zu sein und sie nach Möglichkeit zu reduzieren.

„Wir haben den Krieg nicht gewollt, aber wir müssen damit umgehen.“ Dieser Satz gilt nicht nur für uns Europäer, sondern auch für einen Großteil der Bevölkerung in Russland, dessen politische Zukunft ungewiss ist. „Die Russen spannen langsam ein, aber sie fahren schnell“ ist ein Sprichwort, das Rüdiger von Fritsch immer wieder erwähnt, denn er vermutet, dass der Unmut in der Bevölkerung oder der Armee irgendwann so groß ist, dass sich doch Widerstand regen könnte. 

Zum Schluss stand Rüdiger von Fritsch für eine Diskussionsrunde zur Verfügung und ging detailliert auf die Fragen der Bürgerschaft ein. Alle Spenden, die mit dem Vortrag gesammelt wurden, gehen an das Johanniter-Pflegehaus Haus Kielwein in Heubach.


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