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Ein waschechter Revolutionär macht Geschichte lebendig
Passend zu dem zweiten Schwerpunktthema der nächsten Abiturjahrgänge, beehrte der Zeitzeuge Rainer Müller am Donnerstagabend, den 16.März, das Rosenstein-Gymnasium, um über seine Wahrnehmung des Lebens in der DDR und der Widerstandsbewegung zu berichten. Er selbst ist in der DDR aufgewachsen und gehörte in den 1980er Jahren zur Bürgerrechtsbewegung sowie zum organisierten Widerstand der DDR.
Von Emilia Stanislowski (J1)
Zu Beginn der Veranstaltung stellte Müller seine Kindheit dar. Geboren wurde er in Borna, einer Stadt in der Nähe von Leipzig. Schon in jungen Jahren distanzierte er sich vom System der DDR, da er nicht an der politisierten Jugendweihe teilnahm, sondern sich schon früh in der Kirche an Jugendtreffen beteiligte. Seinen Weg zum Aktivismus fand er allerdings durch sein Engagement für die Umwelt. Die damalige Situation beschrieb Müller als „erschreckend“.
In einem der Nachbardörfer war die Luft so verschmutzt, dass sie Fackeln aufgestellt hatten, um Weggabelungen zu markieren. Auch Leipzig wäre so verschmutzt gewesen, dass die Pleiße braun war und sich Schaum auf ihr bildete. „Dem Westen hätte man das aber nicht gezeigt“, so Rainer Müller. Er beschrieb, wie vor dem Besuch westlicher Politiker oder Medien die ganze Stadt gereinigt wurden sei. Dies erschien dem damals Jugendlichen als Ungerechtigkeit. Oftmals planten sie Proteste und Baumpflanz-Aktionen. Über die Kirche kamen sie in Kontakt mit anderen Oppositionellen, die sich beispielsweise für Bürgerrechte, Rechte von Homosexuellen oder auch Tieren sowie den Umweltschutz einsetzten.
Auch über die Grenzen der ehemaligen DDR hinaus konnte Rainer Müller Kontakte knüpfen, besonders in den Ostblockstaaten: der Tschechoslowakei und Polen. Er beschrieb, wie die Menschen dort mit den Nachwirkungen des Prager Frühlings zu kämpfen hatten und auch dort die Widerstandsbewegung wuchs. Er war damals als junger Erwachsener beeindruckt gewesen, wie sich die Oppositionellen untereinander trotz ständiger staatlicher Kontrolle verständigt haben.
Doch nicht nur die wirtschaftliche und politische Lage in der Sowjetunion war kritisch. Auch in der DDR spannte sich die Situation aufgrund der Mangelwirtschaft zunehmend an. Der ehemalige Widerstandskämpfer beschrieb, wie die Protestbewegung immer schneller wuchs. Er selbst war maßgeblich daran beteiligt. Er erzählte, wie er und einige seiner Bekannten die oppositionelle Zeitung „Namenlos“ herausbrachten und wie die Auflage stetig wuchs. Zudem beschrieb er, wie Pfarrer Christoph Wonneberger mit einer kleinen Gruppe kritischer Jugendlicher, der auch Müller angehörte, die montäglichen Friedensgebete in der Leipziger Nikolaikirche organisierte, die sich im Herbst 1989 zu den Montagsdemonstrationen entwickelten. Diese Protestbewegung war ein maßgeblicher Teil der friedlichen Revolution in der DDR und damit auch bei der Wiedervereinigung Deutschlands. Sehr emotional erklärte er dabei, wie sie der „Volkspolizei“ ausweichen mussten, die willkürlich Menschen aus der Menge zog und verhaftete und wie sie planten, die westlichen Medien von den Protesten in Kenntnis zu setzen. Der Zeitzeuge erläuterte, wie die Partizipation an den Demonstrationen Woche für Woche steigerten, im Oktober waren es schon 70.000 Menschen und wie es dann zu den Geschehnissen des 9. Novembers kam.
Rainer Müller war bei seiner vollständig freien Erzählung kaum zu bremsen und das Publikum hing an seinen Lippen. Man sah ihm an, wie sehr ihn dieser Teil der deutschen Geschichte geprägt hat und wie stolz er ist, ein Teil zur Wiedervereinigung beigetragen zu haben. Damit konnte er sein Publikum restlos begeistern. Besonders die Abiturienten können wahrscheinlich von dieser lebendigen Erzählung der Geschichte profitieren und es bleibt nur zu hoffen, dass Rainer Müller das Rosenstein- Gymnasium nochmal mit einem Vortrag beehren wird.